Der Ton macht die Musik

Maurice-Noel Humpert ist eines unserer großen Schiedsrichter-Nachwuchstalente. Hier ist sein Blick auf den Fußball. 

DSC-INSIDE: „Maurice, wirst du gerne angemeckert?“

Maurice-Noel Humpert: „(lacht). Ach, ein bisschen pusht es mich schon, wenn viele Zuschauer am Rand stehen und es auch mal lauter wird. Das ist Fußball. Aber deswegen wird niemand Schiedsrichter.“

INSIDE: „Welchen Grund hattest du?“

Humpert: „Ich habe beim SV Lippstadt in der B-Jugend in der Westfalenliga gespielt, mir dann aber eine Kreuzbandverletzung zugezogen. Ganz ohne Fußball wollte ich nicht bleiben, also habe ich mich umgeschaut. Schiedsrichter klang interessant. Mittlerweile gefällt es mir richtig gut.“  

INSIDE: „Ist es ein Vorteil, dass du selbst gespielt hast?“

Humpert: „Ja, ein großer. Ich kann eine Situation immer noch aus Spielersicht bewerten und gewisse Dinge vorausahnen. Das ist bei möglichen Vorteilssituationen wichtig und die Spieler sind zufriedener. Pfeife ich ständig einen Vorteil weg, dann steigt der Frust. Ist doch klar.“

INSIDE: „Wie oft hast du als Spieler mit Schiedsrichtern gemeckert?“

Humpert: „Ich habe die Entscheidung des Schiedsrichters immer akzeptiert (lacht). Ernsthaft, ich war da nicht sonderlich aufbrausend. Ich habe die Pfiffe auch mal hinterfragt, das aber nie böse. Ich denke auch jetzt noch, dass Spieler ihre Meinungen haben sollen. Trotzdem habe ich meine Eindrücke vom Spielgeschehen. Es kann natürlich mal sein, dass ich in strittigen Situationen beim betroffenen Spieler nachfrage und an den Fair Play-Gedanken appelliere. Wenn er zugibt, dass es zum Beispiel kein Foul war, kann ich meine Meinung ändern. Bringt das kein Ergebnis, muss ich logischerweise bei meinem ersten Eindruck bleiben. Letztendlich macht immer der Ton die Musik.“

INSIDE: „Hat man als Schiedsrichter eher Sympathien für nette Spieler?“

Humpert: „Gerade in der Kreisliga ist es irgendwann normal, die Leute im Verein, die Mannschaften und das Umfeld von Teams zu kennen. Das hat aber keine Auswirkungen auf das Spiel. Neutralität gebietet die Fairness. Trotzdem bekomme ich es während der 90 Minuten natürlich mit, wenn ein Trainer am Spielfeldrand permanent den Lauten macht. Aber auch da gibt es Mittel und Wege.“  

INSIDE: „Welche?“

Humpert: „Grundsätzlich nehme ich mir von den Meckereien nicht viel an. Das ist auch ein Lernprozess, denn jeder weiß es immer besser, als der Schiedsrichter. Ein gewisses Maß ist okay, wird es zu viel, kann ich den Trainer des Platzes verweisen oder Spielern Karten zeigen. Manche Trainer sind dann im nächsten Spiel ruhiger, manche juckt es nicht, weil mögliche Strafen der Verein bezahlt. Das ist doch immer von Mensch zu Mensch unterschiedlich.“

INSIDE: „Werden dir die Leistungen von Schiedsrichtern zu wenig anerkannt?“

Humpert: „Darüber sollten wir gar nicht nachdenken, denn das würde bedeuten, dass der Schiedsrichter in irgendeiner Form auffällig war. Das Beste ist, wenn nach dem Spiel niemand über den Schiedsrichter redet und der Fokus auf den Teams und den Spielern liegt.“

INSIDE: „Wird man erst mit den Jahren ein richtig guter Schiedsrichter?“

Humpert: „Das würde ich so nicht sagen, nein, denn das Spielgeschehen bleibt ja immer gleich. Es gibt Aktionen, die werden bestraft und dann geht es weiter. Das Muster des Spiels ist Routine, wird und wird in der theoretischen Ausbildung gelernt. Das rufe ich intuitiv ab. Trotzdem sind die praktischen Erfahrungen natürlich Gold wert. Welche Körpersprache ist nötig? Wann muss ich wie mit den Spielern sprechen, kann mal einen lockeren Spruch bringen oder muss durchgreifen? Das lernt man nur durch die Spiele.“

INSIDE: „Wie viele pfeifst du in einer Saison?“

Humpert: „In der letzten waren es 70. Ich bin aber auch sehr aktiv, weil ich weiterkommen möchte. Ich pfeife auch schon mal freitags, samstags, sonntags und unter der Woche, wenn Spiele anstehen. Derzeit mache ich mein Abitur, da geht das noch und ist ein super Ausgleich. Wie es ist, wenn ich im nächsten Jahr mit der Ausbildung beginne, weiß ich noch nicht.“

 

INSIDE: „Wie läuft ein Schiedsrichterneuanwärterlehrgang ab?“

Humpert: „Die Theorieschulung zieht sich über sechs Wochen. Pro Woche gibt es zwei Schulungstage zu je Zweieinhalb Stunden Unterricht. Am Ende folgt eine Prüfung. Dazu kommt noch ein praktischer Teil, in dem es um die körperliche Fitness geht. Das ist alles machbar.“

INSIDE: „Wie läuft das ab, wenn du beobachtet wirst?“

Humpert: „Dann wird das Spiel noch einmal aufgearbeitet und es gibt Punkte oder Punktabzüge. Man startet mit einer 6,0 und holt sich dann zum Beispiel Punkte durch das richtige Setzen von Gelben Karten. Also, dass diese zum richtigen Zeitpunkt im Spiel gezeigt werden. Pluspunkte gibt es, wenn sich aus einem Vorteil zum Beispiel ein Tor entwickelt. Minuspunkte gibt es, wenn eine klare Abseitssituation nicht erkannt wird. Daraus berechnen sich über eine Saison gesehen Durchschnittswerte, die dann darüber entscheiden, wie schnell man höher pfeifen darf.“

INSIDE: „Wie weit willst du noch kommen?“

Humpert: „Ich habe mir das Ziel Oberliga gesetzt. Meine Beobachter bestätigen mir auch, dass ich das Zeug dazu habe, wenn ich weiter an mir arbeite. An mehr denke ich nicht, weil dafür viel Glück und auch mal Vitamin B nötig ist.“