Warum ist man so lange Trainer im Frauenfußball?


Als Ralf Lübbert vor etwas eineinhalb Jahren unsere Damenmannschaft übernahm, war das eine Überraschung. Ralf ist einer der erfolgreichsten heimischen Trainer im Frauenfußball und hat seine Teams stets bis in die Westfalenliga geführt. Warum er selbst den Schritt zu uns in die Bezirksliga aber gerade nicht als Rückschritt sieht und welche Pläne er mit den Damen noch hat, lest ihr im Interview.

DSC-INSIDE: „Ralf, welche Frage würdest du dir zuerst stellen, wenn du dich selbst interviewen müsstest?“

Ralf Lübbert: „Warum ist man so lange Trainer im Frauenfußball.“

DSC-INSIDE: „Interessant. Was ist deine Antwort darauf?“

Lübbert: „Weil im Frauensport Geld nicht an erster Stelle steht. Die Eigenmotivation und der Zusammenhalt eines Teams sind sehr groß. So habe ich es zumindest immer erlebt. Dazu ist die Fluktuation geringer, als bei Herrenteams. Im Herrenfußball hat man nicht 15 Jahre lang die gleiche Mannschaft, das ist einfach so. Frauen sehen das oftmals anders. Sie sind eher bereit, einem Verein treu zu bleiben, unabhängig von der Liga, wenn es ihnen dort gefällt.“

DSC-INSIDE: „Ist das die Grundlage, um – so wie du – über viele Jahre erfolgreich zu sein?“

Lübbert: „Ich hatte in Benhausen das Glück zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Das Team hatten gute Einzelspielerinnen, brauchte aber Stabilität. Wir sind dann direkt aufgestiegen und danach ist es leichter, sich verschiedene Systeme zu erarbeiten, die erfolgreich sein können. In Borchen war es so, dass die U17 sehr stark war, ähnlich, wie in Delbrück jetzt. Die Perspektive war groß und der Übergang von den Juniorinnen zu den Damen gegeben. Da war Potenzial vorhanden. Es gibt aber auch einen Nachteil, wenn ein Team aus dem Inneren heraus wächst. Für externe Spieler kann es sehr schwer werden, in dem Team Fuß zu fassen. Da muss man sehr genau hinschauen. Trotzdem sage ich aus meiner Erfahrung heraus, es ist ein Riesenvorteil, wenn eine gewachsene Struktur da ist. Daher, der DSC ist auf dem richtigen Weg.“

DSC-INSIDE: „Wie war deine erste Ansprache im Damenbereich. Musstest du dich umstellen?“

Lübbert: „Ja, klar. Du kannst mit einem Damenteam nicht so sprechen, wie mit einem Männerteam. Ich finde das aber viel angenehmer, weil die Teams, die ich bislang trainieren durfte, alle sehr harmonisch waren. In Delbrück entwickelt sich eine tollte Mannschaft, da ist eine ruhige Ansprache leichter. Bei den Männern muss eine Ansprache manchmal hart und auch derbe oder laut sein. Wenn Jugendliche aus der U19 hochkommen, merken sie schnell, dass ein anderer Wind in der Seniorenkabine weht. Das ist da so. Frauen stellen ihre Egos eher hinten an, wenn sie dafür im Team erfolgreich sind und sich wohl fühlen. Aber das sind nur meine Erfahrungen.“

DSC-INSIDE: „Du hast selbst höherklassig gespielt, hast Jugend- und Herrenteams trainiert. Wann war der Punkt, an dem du gesagt hast, ich gehe in den Damenfußball?“

Lübbert: „Wie schon gesagt, im Herrenfußball dreht es sich ab einer bestimmten Liga um die Finanzen. Da muss man einfach realistisch sein. Ein Verein kann den Etat eingrenzen und versuchen, es über die Jugend zu lösen, aber dann muss man Abstriche beim sportlichen Erfolg machen. Das ist so und hat sich im Vergleich zu meiner Zeit noch stärker verändert. Früher gab es schon eher das Grundgerüst eines Teams. Das ist heutzutage eher nicht mehr so. Das ist im Damenbereich noch anders. Ich habe dort einfach die Perspektive gesehen, langfristig und kontinuierlich etwas aufbauen zu können.“

DSC-INSIDE: „Liegt das an der Einstellung oder auch daran, weil es im Mädchen- und Damenfußball vielleicht noch gar nicht die Menge an Spielerinnen gibt, so dass ein hochklassig spielender Verein jedes Jahr den Kader mit einer Vielzahl an Neuzugängen neu bestücken könnte?“

Lübbert: „Das mag sein. Aber es kommt doch am Ende darauf an, ob es einen Plan im Verein gibt, oder nicht. Delbrück ist einen spannenden und richtigen Weg gegangen. Hier wurde zunächst die Mädchenjugend auf- und ausgebaut. Das ist auch zum Nachteil der Damen passiert, was nicht negativ gemeint ist, sondern Teil des Konzeptes war, um die Damen auf lange Sicht stark zu machen. Ich bin jetzt seit 14 Monaten beim DSC und habe mit Hubert und Beate Austerschmidt viele Gespräche geführt. Sie haben Wort gehalten. Wir haben sehr viele junge Spielerinnen mit jeder Menge Potenzial, die nun zu den Damen gekommen sind. Und im aktuellen U17-Mädchenteam entwickeln sich schon die nächsten Talente. Sie müssen sich an den Damenbereich anpassen, weil sie aus körperlicher Sicht, viel früher in den Seniorenbereich einsteigen, als die Herren und somit auch noch taktisch lernen. Aber das Potenzial und die Perspektive sind da, um über Jahre erfolgreich zu sein. Dieses Ziel verfolgt der DSC als Verein. Ich darf das mit einleiten, was mich sehr freut, was aber auch eine Bedingung für meinen Wechsel hier hin war.“

DSC-INSIDE: „Als du nach den langen Jahren in Borchen zum DSC gekommen bist, sah es so aus, als würdest du einen Gang zurückschalten wollen. Diese Aussagen passen nun gar nicht dazu.“

Lübbert: „Ich bin nicht nach Delbrück gekommen, um ein Team in der Bezirksliga zu trainieren. Wir wollen mit dem Potenzial in die Landesliga aufsteigen, da gibt es auch keine zwei Meinungen. Wir könnten auch dort eine gute Rolle spielen. Ich bin in Benhausen und in Borchen jeweils direkt aufgestiegen, was aber nicht nur mein Verdienst alleine ist, sondern immer Teamarbeit. Die Spielerinnen waren toll, aber auch die Vereine in Benhausen und in Borchen haben total unterstützt und waren immer da. Das ist super und beim DSC jetzt genauso. Ich muss speziell Hubert Austerschmidt großen Respekt dafür zollen, was er durch seine Ideen im Verein aufgebaut hat und auch noch aufbaut. Das Potenzial für den Damenbereich ist riesig. Ich habe immer gesagt, dass ich nur nach Delbrück gehe, wenn eine Perspektive da ist. Die habe ich. Andererseits ist es auch klar, dass es zeitlich nun für mich leichter ist. Ich bin stellvertretender Schulleiter an der Gesamtschule in Delbrück, habe dort viele Aufgaben und wohne jetzt in unmittelbarer Nähe zu den Trainingsplätzen. Das entschleunigt deutlich, ändert aber nichts an der sportlichen Motivation.“

DSC-INSIDE: „Worauf legst du als Trainer wert?“

Lübbert: „Attraktiven Fußball spielen zu lassen ist nett, aber ich fordere zunächst ein hohes Maß an taktischer Disziplin. Das wissen Teams genau, die mich als Trainer kennen. Borchen wusste im Kreispokalfinale, welches wir 1:0 gewinnen konnten, was auf sie zukommen wird. Die wussten, dass es keinen Spaß macht, gegen meine Ausrichtung zu spielen. Wenn sich das Team an die taktische Marschrichtung hält, dann können wir auch gegen höherklassige Teams bestehen. Das haben unsere Vorbereitung und das Kreispokalfinale gezeigt. Andererseits erwarte ich aber auch, dass unsere Spielerinnen so stark sind, dass der Fußball auf Dauer attraktiver wird. Was nützt Hurrafußball mit drei Toren und sechs Gegentoren? Wir spielen um den Aufstieg, das ist unser Ziel. Wir wollen rauf. Dafür bedarf es einer taktischen Disziplin und einer Konsequenz vor dem Tor. Man muss Spiele gewinnen können, wenn man wenige Chancen hat. Und man sollte kein Gegentor bekommen, wenn man, so wie wir zuletzt, 8:0 führt. Ich erwarte, dass gerade dann die Konzentration oben bleibt. Für alles andere habe ich kein Verständnis. Das weiß das Team und zieht gut mit. Wir haben 24 Spielerinnen, die bei Laune gehalten werden müssen. Andererseits fallen auch immer wieder welche aus. Es ist für mich ein Luxus, dass alle auf einem nahezu gleich guten Niveau sind.“

DSC-INSIDE: „Dann bist du mit dem Start, 6 Punkte aus zwei Partien und 11 zu 0 Tore, sicher zufrieden?“

Lübbert: „Das Team macht es ordentlich bislang. Alle wissen, woran wir noch arbeiten müssen. Das ist besprochen.“

DSC-INSIDE: „Hat die Coronaphase geschadet, weil ein halbes Jahr an Entwicklung verloren gegangen ist?“

Lübbert: „Ärgerlich ist es für die Spielerinnen, die im letzten Jahr hochgekommen sind. Sportlich hätten wir den Abstand auf die Spitze in der letzten Saison nicht aufholen können. Es ist eine gemischte Gemengelage, aber wir haben das Beste daraus gemacht. Wir haben den Sommer über durchtrainiert, haben in der Vorbereitung viel gearbeitet und gute Testspiele gegen höherklassige Gegner gewonnen. Wir haben eine gute Mischung aus erfahrenen und aus jungen Spielerinnen, es passt als Team und im Trainerteam. Alle sind sehr motiviert und haben ein gemeinsames Ziel.“

DSC-INSIDE: „Wer hat dich als Trainer geprägt?“

Lübbert: „Da gab es einige Personen. Ein Satz ist mir jedoch hängen geblieben. Er kam von meinem Trainer Michael Strümpfler und lautete ‚wenn du gefoult worden bist, dann warst du in der Szene zu langsam.“

DSC-INSIDE: „Wie haben sich die Zeiten im Vergleich zu deiner Zeit verändert?“

Lübbert: „Sehr stark. Der Fußball war damals aus meiner Sicht langsamer. Heute ist viel mehr Dynamik im Spiel. Dazu wurde früher nicht so intensiv mit jungen Spielern gearbeitet. Die mussten sich erst einmal hinten anstellen, denn die Erfahrenen haben immer gespielt. Die Einstellung hat sich geändert. Trainer wollen heutzutage schon in der F-Jugend taktisch arbeiten. Aber, auch da sollte man vorsichtig sein und sich dem Spielerpotenzial anpassen. Ich habe mich in Borchen jahrelang dagegen gewehrt, mit einer Viererkette zu spielen, weil wir die Spielerinnen dafür zunächst nicht hatten. Das hat gedauert. Jetzt habe ich zum Glück Spielerinnen, welche die Viererkette schon seit drei Jahren spielen. Da ist es leichter. Ich habe als Spieler viele Systeme kennengelernt. Man muss versuchen, Dinge zu ändern, wenn die Spieler so weit sind. Das braucht auch mal Zeit und muss behutsam ablaufen. Delbrück hat ab der D-Jugend einen Leistungsbereich, was gut ist. Ab dem Alter wird den Kindern klarer, was sie wollen. Es ist gut, dass im Verein schon im Nachwuchs viele Spieler auf hohem Niveau spielen, weil das die Senioren auf Dauer stärkt.“

DSC-INSIDE: „Wie sehr boomt der Mädchen- und Frauenfußball noch?“

Lübbert: „Die Vereinskultur verändert sich in Deutschland schon seit Jahren. Es ist für einen Verein wichtig, die Spieler und Spielerinnen emotional zu binden. Wenn man sieht, was die Mädchenteams in Delbrück alles erleben. Spanienfahrt, Testspiel beim FC Bayern München und so weiter. Das sind tolle Momente, die eine Bindung erzeugen. So bleibt man auch für andere Spieler von außen interessant. Aber es ist schon so, dass man einen Damenbereich nur halten kann, wenn man breit aufgestellt ist und einen guten Unterbau hat. Im Kreis Paderborn fehlt das bei vielen Teams. Es gab Benhausen und Borchen als Westfalenligisten, aber dann passierte nichts mehr. Aktuell dürfen die U17-Mädchen nicht mehr am Kreispokal teilnehmen. Dadurch ist der Wettbewerb ausgeglichen, aber das Niveau sinkt eben auch. Der Kreis Paderborn ist aktuell im Mädchen- und Damenfußball nicht gut aufgestellt. Das gilt aber nicht für den DSC. Hier boomt der Mädchen- und Damenfußball noch und die Perspektiven sind da. Wir wollen, dass es so bleibt. Die Anbindung der U17-Mädchen an die Damen ist richtig und kann den Verein über lange Jahre tragen. So ist der Verein gut aufgestellt.“

DSC-INSIDE: „Was muss alles passen, damit am Saisonende der Aufstieg steht?“

Lübbers: „Grundsätzlich ist es leichter in einer Klasse zu bleiben, als aufzusteigen, weil man dafür viel weniger Punkte braucht. Wir müssen die Konzentration über die gesamte Saison hochhalten und konsequent unsere Chancen nutzen. Wenn ein Gegner im Hinspiel hoch geschlagen wird, dann muss das Rückspiel trotzdem erst noch gewonnen werden. Dazu gibt es immer in einer Saison zwei bis drei Spiele gegen Gegner auf Augenhöhe, auf die es am Ende ankommt. Zwei bis drei Teams laufen zumeist parallel und dann spielen sie halt gegeneinander. In diesen Partien muss man sich dann durchsetzen. Ausrutscher darf man sich gegen keinen Gegner erlauben. Wir müssen seriös bleiben. Es gibt keinen Gegner, der leicht ist, aber ich glaube daran, dass wir individuell die beste Mannschaft haben. Wenn das taktische dazukommt, dann sind wir in der Lage in diesem Jahr aufzusteigen.“